UNDP-Bericht über die menschlichen Entwicklung 2022

Die Welt muss sich aus ihrer globalen Lähmung befreien. Wir brauchen einen entschlossenen Neustart, um die Zukunft der Menscheit und des Planeten zu sichern.

8. September 2022

Zum ersten Mal in 32 Jahren, in denen UNDP durch den Index der menschlichen Entwicklung die Gesundheit, die Bildung und den Lebensstandard einer Nation misst, ist dieser zwei Jahre in Folge weltweit gesunken. Die menschliche Entwicklung ist auf den Stand von 2016 zurückgefallen und hat einen Großteil der Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zunichte gemacht.

Foto: UNDP PAPP

8. September 2022 - New York: Die Welt taumelt von einer Krise zur nächsten – gefangen in einem Kreislauf der Brandlöschung und unfähig, die Ursachen der zunehmenden Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, zu bekämpfen. Ohne einen scharfen Kurswechsel könnte die Menschheit auf noch mehr Entbehrungen und Ungerechtigkeiten zusteuern, warnt das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP).

Der jüngste Bericht über die menschlichen Entwicklung (Human Development Report 2021/2022), "Uncertain Times, Unsettled Lives: Shaping our Future in a Transforming World", der heute vom UNDP vorgestellt wird, weist darauf hin, dass weltweit Unsicherheit und Ungewissheit in verschiedenen Bereichen zunimmt und das Leben in noch nie dagewesener Weise verunsichert. Die letzten zwei Jahre hatten verheerende Auswirkungen für Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt: Krisen wie COVID-19 und der Krieg in der Ukraine überschlugen sich und gingen einher mit weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Hinzu kommen gefährliche planetare bzw. Umweltveränderungen und eine massiven Zunahme an Polarisierung.

Der Index zur menschlichen Entwicklung (Human Development Index, HDI), den UNDP seit 32 Jahren berechnet, und der der Gesundheit, Bildung und Lebensstandard der Nationen der Erde misst, ist zum ersten Mal in zwei aufeinanderfolgenden Jahren weltweit gesunken. Die menschliche Entwicklung ist auf den Stand von 2016 zurückgefallen. Ein Großteil der Fortschritte jahrelanger Entwicklungszusammenarbeit und zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung wurde zunichte gemacht

Der Rückgang ist nahezu auf der ganzen Welt festzustellen: Mehr als 90 Prozent der Länder verzeichneten entweder in 2020 oder in 2021 einen Rückgang ihres HDI-Wertes. Und in mehr als 40 Prozent aller Länder ging der Wert in beiden Jahren zurück. Das deutet darauf hin, dass sich die Krise für viele Länder noch verschärft.

Während einige Länder beginnen, wieder auf die Beine zu kommen, ist die wirtschaftliche Erholung ungleichmäßig und unvollständig. Dies vergrößert die Ungleichheiten in der menschlichen Entwicklung weiter. Lateinamerika, die Karibik, Afrika südlich der Sahara und Südasien wurden besonders hart getroffen.

"Die Welt versucht verzweifelt, auf die aufeinanderfolgenden Krisen zu reagieren. Wir haben bei den Lebenshaltungskosten und der Energiekrise gesehen, dass es zwar verlockend ist, sich auf schnelle Lösungen wie die Subventionierung fossiler Brennstoffe zu konzentrieren, dass aber kurzfristige Hilfstaktiken die langfristigen systemischen Veränderungen, die wir vornehmen müssen, verzögern", sagt Achim Steiner, Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, UNDP. "Wir sind kollektiv gelähmt, wenn es darum geht, diese Veränderungen vorzunehmen. In einer von Ungewissheit geprägten Welt brauchen wir einen erneuerten Sinn für globale Solidarität, um unsere miteinander verbundenen, gemeinsamen Herausforderungen zu bewältigen."

Der Bericht geht der Frage nach, warum der notwendige Wandel nicht stattfindet, und nennt dafür diverse Gründe. Dazu gehört auch, dass sich Unsicherheit und Polarisierung gegenseitig bestärken und die Solidarität und das kollektive Handeln, das wir zur Bewältigung von Krisen auf allen Ebenen benötigen, verhindert werden. Neue Berechnungen zeigen zum Beispiel, dass diejenigen, die sich am unsichersten fühlen, extremere politische Ansichten vertreten.

"Schon vor der COVID-19-Pandemie sahen wir ein Zwillings-Paradoxon von Fortschritt in Kombination mit Unsicherheit und Polarisierung. Heute, da sich ein Drittel der Menschen weltweit gestresst fühlt und lediglich knapp ein Drittel der Menschen weltweit noch Vertrauen in ihre Mitmenschen haben, stehen wir vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, eine Politik zu verfolgen, die für die Menschen und den Planeten funktioniert", sagt Achim Steiner. "Die zum Nachdenken anregende neue Analyse soll uns helfen, aus dieser Sackgasse herauszukommen und einen neuen Kurs zu finden, der aus der gegenwärtigen globalen Unsicherheit herausführt. Wir haben nur ein kleines Zeitfenster, um unsere Systeme neu zu starten und eine Zukunft zu sichern, die auf entschlossenen Klimaschutzmaßnahmen und neuen Chancen für alle basiert."

Um einen neuen Kurs einzuschlagen, empfiehlt der Bericht die Umsetzung von Maßnahmen, die sich auf Investitionen in erneuerbare Energien, in die Vorbereitung auf Pandemien und Absicherung fokussieren – einschließlich Sozialer Sicherung – um unsere unsere Gesellschaften frühzeitig auf die Höhen und Tiefen einer unsicheren Welt vorzubereiten. Gleichzeitig kann Innovation in ihren vielen Formen – technologischer, wirtschaftlicher und kultureller Art – ebenfalls die Kapazitäten erhöhen, um kommenden Herausforderungen zu begegnen.

"Um die Ungewissheit zu bewältigen, müssen wir uns auf die menschliche Entwicklung konzentrieren und über die reine Verbesserung von Wohlstand oder Gesundheit der Menschen hinausblicken", sagt der Hauptautor des Berichts, Pedro Conceição vom UNDP. "Diese bleiben wichtig. Aber wir müssen auch unseren Planeten schützen und den Menschen die Mittel an die Hand geben, die sie brauchen, um sich sicherer zu fühlen, ein Gefühl der Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen und Hoffnung für die Zukunft zu haben".

Am Veröffentlichungstermin des Berichtes werden u.a. UN Generalsekretär António Guterrez, UNDP Leiter Dr. Achim Steiner, sowie weitere Prominente wie z.B. die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern und UNDP Goodwill Ambassador und Hollywoodstar Michelle Yeoh teilnehmen.

Zugang zum Bericht