Fünf Fragen an Melanie Hauenstein, Direktorin des UNDP-Deutschlandbüro
„In turbulenten Zeiten ist internationale Kooperation ein Garant für Stabilität“
21. Mai 2025
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen ist in 170 Ländern und Regionen vertreten, mehr als jede andere UN-Organisation. Was genau macht UNDP vor Ort?
UNDP arbeitet an einem sehr breiten Themenspektrum: Wir unterstützen Länder und Regionen dabei, Armut sowie Korruption zu bekämpfen. Wir fördern Rechtstaatlichkeit und Demokratie, etwa, indem wir für Transparenz bei den Wahlen sorgen. Zudem tun wir viel dafür, den Klimawandel zu bremsen und Naturkatastrophen zu verhindern. So helfen wir Regierungen Pläne zu erstellen, wie sie ihre Klimaziele erreichen, zu denen sie sich entsprechend internationalen Verträgen verpflichtet haben. Wir unterstützen auch bei der Umstellung auf erneuerbare Energien. Das ist nicht nur gut fürs Klima, sondern Grundvoraussetzung für Entwicklung: Schulen, Krankenhäuser und andere essenzielle Institutionen brauchen zuallererst Strom, damit sie funktionieren.
Melanie Hauenstein - Direktorin des UNDP-Deutschlandbüro
Wir leben in turbulenten Zeiten geprägt von sich verschärfenden Konflikten, Kriegen und Naturkatastrophen. Wo genau ist da Platz für Entwicklungszusammenarbeit?
In turbulenten Zeiten ist internationale Kooperation ein Garant für Stabilität. Der Einsatz vom UNDP ist komplementär zur humanitären Hilfe. Wir retten nicht direkt Leben, sondern die Lebensgrundlagen von Menschen. Das heißt, wir arbeiten schon während der Krise mit einem Entwicklungsansatz und bieten Menschen somit eine Perspektive für ein Leben nach der Krise. So bewahren wir nach Möglichkeit die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch, indem wir etwa Klein- und Kleinstunternehmen fördern und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (,Cash-for-Work’) auflegen. Nach Konflikten wiederum bauen wir die Infrastruktur mit auf und helfen dabei die Grundversorgung und Basisdienstleistungen wieder zu gewährleisten (Superkraft Stabilisierung siehe Seite 16). Im Irak haben wir so bis zu fünf Millionen Binnenflüchtlingen geholfen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren (Irak nach dem Islamischen Staat siehe Seite 18). Wir haben als Erste die Ukraine dabei unterstützt, Turbinen zu beschaffen, damit die Stromversorgung wieder in Gang kommt. Jetzt arbeiten wir dort an dezentralen Energiesystemen, helfen aber auch, Korruption zu bekämpfen und Reformvorhaben zu unterstützen, die für den EU-Beitritt notwendig sind.
Beim Durchblättern dieser Broschüre sieht man, dass das UNDP sehr viel Wert darauf legt, Frauen zu fördern. Warum?
Unser Entwicklungsprogramm wird im Jahr 2025 sechzig Jahre alt. In all der Zeit haben wir gelernt, dass es die Investitionen in Frauen sind, die den Wandel hin zu mehr Wohlstand und mehr Gerechtigkeit vorantreiben, in der Politik, der Gesellschaft und auch in der Wirtschaft. In 20 Jahren Arbeit vor Ort habe ich zudem gelernt: Um politische Beteiligung zu erreichen, müssen Frauen zuerst wirtschaftlich unabhängig sein.
Wie genau arbeiten Deutschland und UNDP zusammen?
Die Interessen von Deutschland und UNDP überschneiden sich in vielen Punkten, deswegen haben wir auch 2021 ein Büro in Berlin eröffnet. Gemeinsam setzen wir uns für eine stabile, gleichere und nachhaltigere Welt ein. Unter Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) arbeiten wir auch mit dem Auswärtigen Amt (AA), dem Bundestag und vielen weiteren Ministerien und Behörden zusammen. Deutschland ist für uns ein ganz wichtiger Kooperationspartner und Geber. Die Bundesregierung unterstützt uns sowohl bei projektgebundener Arbeit als auch durch sogenannte Kernbeiträge, die uns erlauben, projektungebunden zu arbeiten (Im Kern steckt die Kraft siehe Seite 24). Gerade diese Mittel dienen auch dazu, neue Themen zu setzen, wie wir das jüngst getan haben, indem wir die Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz (Hamburg Sustainability Conference siehe Seite 23) mit ins Leben gerufen haben.
Was steht jetzt an großen Themen für Sie an?
Viele der Konflikte heute sind Verteilungskonflikte. Dabei ist so viel Geld in der Wirtschaft im Umlauf wie noch nie, aber dieses Geld ist extrem ungleich verteilt, sowohl zwischen den Ländern als auch innerhalb von Ländern. Vor allem auf dem afrikanischen Kontinent stecken viele Länder in der Schuldenfalle, so dass sie nicht in Entwicklung investieren können. Da müssen wir raus! Darüber hinaus müssen wir sicherstellen, dass auch die Länder des Globalen Südens von neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz profitieren. Auch im Klimabereich gibt es viel zu tun (Chance für den Planeten siehe Seite 8). Die jüngsten Klimakonferenzen konnten nicht alle unsere Erwartungen erfüllen. Aber erinnern wir uns an Meilensteine wie das Montreal-Protokoll aus dem Jahr 1987, bei dem es um FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) ging. Alle hatten Angst vor dem Ozonloch. Aber dieses Problem haben wir durch internationale Kooperation gelöst. Auch das Pariser Klimaabkommen von 2015 hat gezeigt: Nach jahrelangem Ringen ist die internationale Gemeinschaft in der Lage, wichtige und ambitionierte Beschlüsse für den Planeten zu fassen. Das muss unser Wegweiser sein. Ob Klimawandel, Pandemien, Migration oder Kriege: All das können wir nur gemeinsam lösen.